Bach-Transkriptionen. Neue und wiederentdeckte Annäherungen an J. S. Bach
Correspondenz Nr. 33, Dezember 2010
Gerd Nauhaus
Angelika Nebel, Klavierprofessorin an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule, hat bereits interessante Clara- und Robert-Schumann-Aufnahmen vorgelegt (siehe Correspondenz Nr. 30/Dezember 2007) und tritt nun direkt in Roberts Fußstapfen, indem sie sich dem Altvater Bach zuwendet.
Schumann hatte einerseits die Orgelfugen op. 60 über den Namen B-A-C-H komponiert und als sein vielleicht zukunftsträchtigstes Werk angesehen (womit er nicht Recht behielt), andererseits Bachs Werke für Solovioline und Solocello durch „harmonische Tragebänder“ in Gestalt von Klavierbegleitungen bereichert, die man heute gelegentlich wieder ans Licht zieht.
Nebel schöpft aus dem reichen Schatz an Bach-Transkriptionen für Klavier, den sie mit großer Akribie und Findigkeit durchgesehen hat. Erstaunliches kommt da zu Tage, ohne dass die Interpretin auf die allbekannten Bearbeitungen von Liszt oder Busoni zurückgreifen müsste, und das Spektrum reicht vom frühen 19. Jahrhundert bis (fast) in die Gegenwart. Dem Liszt-Umkreis gehörten Carl Tausig (Präludium h-Moll BWV 855a) und Alexander Siloti (Choräle BWV 614 und 680) an.
Wirklich bekannt ist von den Transkriptionen allenfalls die des (auch durch Wilhelm Kempff transkribierten und oft gespielten) Kantatensatzes „Jesu bleibet meine Freude“ durch Dame Myra Hess, aber wer kennt schon die Komponistennamen August Stradal, Elinor Remick Warren (deren Version der liebenswerten Aria „Bist du bei mir“ aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena hervorgehoben sei), Gerald M. Cooper, Herbert Murill, Walter Rummel oder auch den des jüngsten Transkriptors Frank Zabel (*1968), der eine bestechende Version der g-Moll-Violinsonate BWV 1001 lieferte?
Der Schumann- und Liszt-Protegé Robert Franz steuerte eine dezent romantisierende Version der (vermutlich der Laute zugedachten) Suite c-Moll BWV 997 bei. Meist handelt es sich sonst um Choralbearbeitungen, und vielleicht am „zündendsten“ wirkt die lebhafte Aria „Zu Tanze zu Sprunge“ aus der Kantate BWV 201, kongenial bearbeitet durch W. Rummel.
Insgesamt also eine höchst lohnende Entdeckungsreise! Angelika Nebels Auswahl verdient hohe Anerkennung, ihre Darbietung der Stücke ist durchweg kraftvoll und klar, zeugt von sicherem Geschmack und kultivierter Interpretationskunst. Nicht zuletzt ist das Booklet mit sehr informativen Ausführungen auch zur Bach-Bearbeitungspraxis von Jens Markowsky lobend zu erwähnen.