Auszug aus einem Interview mit Dr. Michael Struck, Schumann-Preisträger 2010
Gedanken zum 200. Geburtstag von Robert Schumann
www.kn-online.de
Christian Strehk
Auch wenn es schwerfällt: Ich möchte den Schumann-Preisträger 2010 jetzt zwingen, seine Lieblingswerke zu nennen…
Von den frühen Klavierwerken würde ich die „Humoreske“ auf die einsame Insel mitnehmen, die in knapp 30 Minuten alles zeigt: von der subtilen Kleinteiligkeit bis zur großen Form, alles, was an schumannschem Schwung und schumannscher Innigkeit möglich ist. Der Titel führt scheinbar in die Irre, denn es handelt sich um ein sehr ernsthaftes Stück, das den Zwiespalt zeichnet, der zwischen der teils komischen, teils tragischen Realität und der Utopie, den eigenen Wünschen klafft. Und dann darf es gerne die Einspielung von Svjatoslav Richter sein, bei dem das Werk wirklich vom Boden abhebt...
Sonst bitte eine ganze Menge der Lieder; von der Kammermusik sicher Klavierquartett und Klavierquintett; die C-Dur-Symphonie, die die konventionellste zu sein scheint, es aber faustdick hinter den Ohren hat, und natürlich als ganz großes Werk die „Faust-Szenen“; von den späten Werken sicherlich das Violinkonzert, gerade weil es ein Werk mit Problemen ist, die am ehesten Gidon Kremer und Nikolaus Harnoncourt sowie jüngst Renaud Capucon und Daniel Harding gelöst haben, und das sich durch die Geschichte des Instrumentalkonzerts quasi rekapitulierend hindurchkomponiert. Außerdem bietet es einen der schönsten langsamen Sätze Schumanns überhaupt.
Schließlich möchte ich nicht auf den Klavierzyklus „Gesänge der Frühe“ verzichten, den Andras Schiff oder Angelika Nebel schön auf CD dokumentiert haben. Er ist, wie erwähnt, von Hölderlin beeinflusst und „offiziell“ der hohen Dichterin Bettina von Arnim gewidmet. Seine Teile sind sehr eng aufeinander bezogen und zeigen Schumanns späte Klavierpoesie und seine eigenen „Neuen Bahnen“ in Reinform.