BACH Methamorphosis
Correspondenz, Nr. 35 / Februar 2013
Gerd Nauhaus
Zum zweiten Mal hat Angelika Nebel, Klavierprofessorin an der Düsseldorfer Robert Schumann Hochschule, den reichen, aber vielfach ungehobenen Schatz an Klaviertranskriptionen von Werken J. S. Bachs gesichtet und höchst lohnende Entdeckungen gemacht. Wir durften im voraus in die im Sommer 2012 aufgenommene, im Februar bei hänssler CLASSIC erscheinende CD hineinhören und empfehlen sie – ebenso wie Nebels erste einschlägige Produktion – gern den Correspondenz-Lesern.
Die Pianistin hat insgesamt 13 z.T. sehr bekannte Bach-Werke ausgewählt, die meisten davon original für Orgel komponiert, aber auch weitere Instrumentalstücke wie die populäre Sinfonia der 2. Kantate des Weihnachtsoratoriums, ein anmutiges Siciliano aus einer Flötensuite und schließlich das monumentale 6-stimmige Ricercar aus Bachs Musikalischem Opfer, dem Anton Webern eine analytisch-erhellende Orchestration angedeihen ließ. Die Klavierversion des großartigen Stückes, die Nebel mit Verve und langem Atem vorträgt, wurde ihr von dem brasilianischen Komponisten Wagner Stefani D’Aragona Malheiro Prado (*1982), dem jüngsten der hier vertretenen Transkriptoren, zugeeignet.
Wer sind die übrigen Bearbeiter? Zum einen der jüngst als Opernkomponist wiederentdeckte Walter Braunfels (1882-1954), dem die adäquat-orchestrale Version von Präludium und Fuge A-Dur BWV 536 zu danken ist, sodann der Liszt-Schüler Carl Tausig (1841–1871) mit der eindringlichen Übertragung des meditativen Chorals „O Mensch, bewein dein Sünde groß“, ferner einige angelsächsische Komponisten, von denen Ralph Vaughan Williams (1872–1958) der bekannteste ist – er bearbeitete den Choral „Ach, bleib bei uns, Herr Jesu Christ“ in spätromantischer Manier –, dem sich der Amerikaner Arthur Briskier (1902–1959), der Kanadier Clarence Lucas (1866-1940) und der Brite William Murdoch (1888–1942) zugesellen. Überraschen mag vielleicht, dass auch mehrere russische Bearbeiter am Werk waren: es sind Igor Iljin (1909–1959), der nicht näher bekannte A. Gontscharow und Sergej Didenko (*1944), und hinzu kommt der in Paris wirkende Ungar Isidor Philipp (1863–1958), zu dessen Schülern Albert Schweitzer und Aaron Copland zählten.
Das musikalische Spektrum ist wiederum sehr reich, und hier offenbart sich erneut Angelika Nebels subtiler Spürsinn: Neben den schon genannten Stücken finden sich die Choräle „Nun komm, der Heiden Heiland“, „Herr Christ, der ein’ge Gottessohn“, „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, „Ein feste Burg ist unser Gott“, „Ach, wie nichtig, ach, wie flüchtig“ und die hochartistische Choralbearbeitung „Christ, unser Herr, zum Jordan kam“ aus der sogenannten Orgelmesse (Klavierübung 3. Teil) Bachs.
Angelika Nebels Interpretation ist auch hier ebenso kraft- wie
geschmackvoll und dem Reichtum der dargebotenen Transkriptionen
in jedem Moment adäquat. Zum Verständnis der Werke
trägt der instruktive Einführungstext von Jens Markowsky bei,
der zudem Nebels Idee wiedergibt, die Auswahl der Werke zum
Ablauf des Kirchenjahrs in Beziehung zu setzen.
Quelle: Correspondenz