Klangtropfen wie Wunder aus dem Jenseits
Frankfurter Rundschau, 20.09.2002
Alexandra von Bülow
Pianistin Angelika Nebel zieht bei Audiolab-Studiokonzert in Oberursel das Publikum in ihren Bann
Wenn die Studiokonzerte der Audiolab Tonstudios Oberursel dem Sinn nachgehen, eine lebendige Kommunikation des Künstlers mit dem Publikum herzustellen, um diese Dimension bei den Aufnahmen atmosphärisch zu berücksichtigen, dann ist dies bei der jüngsten Veranstaltung mit der Pianistin Angelika Nebel besonders gut gelungen.
Vor allem das Publikum konnte sich in das intime Studio-Ambiente einleben und die Situation hinter den Aufnahmen deutlich spüren.
Durch die knappe, bildhafte Einführung der Pianistin, die seit 1995 an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf lehrt, war jeweils
das Terrain vorbereitet, um konzentriert in verschiedene musikalische Welten hinein zu lauschen. Angelika Nebel präsentierte
Werke aus drei ihrer neuen CD-Projekte: Zwei Sonaten aus der 2001 bei Amphion Records bereits erschienenen Haydn-Doppel-CD (amph 20119),
sechs Sonaten aus der bei dem selben Label gerade abgeschlossenen Aufnahme mit Werken von Padre Antonio Soler sowie
die Humoreske B-Dur op. 20, Kernstück einer geplanten Robert-Schumann-Produktion.
Vor genau 250 Jahren, am 25. September 1752, zog der damals 23 Jahre alte Organist und Komponist Antonio Soler in dem spanischen Kloster
El Escorial zum ersten mal die Mönchskutte an. Aus seinen etwa 130 Klaviersonaten, die Domenico Scarlattis Kompositionskunst
originell weiterentwickeln, wählte Angelika Nebel zu Anfang ihrs Recitals die Sonate 113, in der sie ihre Kraft zur innigen
Mitteilung mit gepflegtem Anschlag und gesangsvoller Melodik, mit grazil leuchtendem oder nostalgisch düsterem Klang
offenbarte. Auch in der Sonate por la Princessa de Asturias, C-Dur gefiel besonders die Atmosphäre des Stückes, die einem Klangideal
utopischer Schönheit sich zu nähern suchte.
Ein wahres Abenteuer ist für jeden Künstler die Konfrontation mit Schumanns Humoreske. Das eigenartige, vertrackte
Werk steckt voller Kontrast und Widerspruch. An dem Abend gelang besonders die Gestaltung eines logischen Zusammenhangs der
verschiedenen Sätze. Strukturell wurde das Eigenleben der einzelnen Klangebenen deutlich profiliert. Innige Momente starker
Konzentration beeindruckten durch Angelika Nebels Fähigkeit, musikalische Pausen in spannende Stille zu verwandeln
und den darauf folgenden Klang wie ein Wunder aus dem Jenseits wirken zu lassen.
Der sensible Anschlag lässt ihre Musik wie aus farbigen Tropfen von Licht und Schatten schimmern. Dies macht aus den zwei Sonaten
von Joseph Haydn, e-Moll Hob.XVI:34 sowie E-Dur Hob.XVI:31, einen wahren künstlerischen Höhepunkt. Dem Presto der e-Moll Sonate, ein filigranes Kleinod, folgte
das Adagio, das eine Welt beredter Poesie aufschloss. Raffiniert führte dann der Attacca-Übergang zum Vivace molto, in dem bei gleich bleibender
Dynamik nur das Tempo plötzlich wechselte. Allmählich drang dann der Charakter des neuen Satzes durch. Die Idee des Strebens
durch Dunkelheit zum Licht, der Joseph Haydn besonders nachging, kam hier wie in der meisterhaft gespielten
E-Dur Sonate vielfach zum Ausdruck.